Dezember 17, 2024
„Die Chancen, dass SECAI über die geförderte Projektphase hinaus weitergeführt wird, stehen gut.“
Im Interview spricht Florian Remark über die Vorteile von SECAI, die Bedeutung des Federated-Learning-Ansatzes und die Chancen für eine Verstetigung nach Ende der Förderphase.
Voraussichtliche Lesedauer: 8 Minuten
Herr Remark, Sie sind Partner bei der Strategion GmbH und Projektleiter bei SECAI. Warum engagiert sich Ihr Unternehmen bei einem Verbundforschungsprojekt und was hat Sie dazu bewogen, die Rolle der Konsortialleitung zu übernehmen?
Als Managementberatung mit Technologiefokus ist es uns wichtig immer am Puls der Zeit zu sein. Aus unseren zahlreichen Projekten identifizieren wir die Bedürfnisse des Marktes früh und haben in Verbundprojekten die Möglichkeit mögliche Lösungsansätze wissenschaftlich fundiert und durch Domänenexperten validiert zu testen, bevor die resultierenden Erkenntnisse in unsere Beratungs- oder Softwareprodukte einfließen.
Lassen Sie uns etwas über den SECAI-Ansatz sprechen. Die Projektpartner entwickeln ein Edge-Cloud-basiertes KI-System zur dezentralen Heizungssteuerung, um den Energiebedarf von Gebäuden zu optimieren. Wie kann man diesen Ansatz für Laien leicht erklären? Welche Vorteile entstehen, wenn SECAI zum Einsatz kommt?
Um SECAI für Laien zu erklären, könnte man sagen, dass das KI-System wie ein „Gehirn“ für die Heizung funktioniert, das auf zwei Wegen denkt: Einige Entscheidungen trifft es direkt vor Ort, nah an der Heizung (das ist die „Edge“), und andere in einer großen Datenzentrale (das ist die „Cloud“). Dadurch kann das System in Echtzeit auf die Bedingungen im Gebäude reagieren und trotzdem auf umfangreiche Informationen und Berechnungen zugreifen, die über viele Gebäude gesammelt wurden.
Das System lernt, wie viel Wärme gerade gebraucht wird, und passt die Heizleistung entsprechend an. Wenn zum Beispiel an einem sonnigen Tag weniger geheizt werden muss, erkennt die KI das sofort und senkt die Heizleistung. So wird nie mehr Energie verbraucht als nötig. So entsteht eine Win-Win-Situation für Mietende und Vermietende.
Die Vorteile von SECAI lassen sich in etwa so zusammenfassen:
- Energieeinsparung und Kostenreduktion: Durch die präzise Anpassung der Heizung an den tatsächlichen Bedarf sinkt der Energieverbrauch erheblich. Das spart nicht nur Heizkosten, sondern senkt auch die Belastung der Umwelt.
- Reduzierung der CO₂-Emissionen: Indem die Heizung effizienter arbeitet und weniger Energie verschwendet wird, sinkt der CO₂-Ausstoß des Gebäudes – ein Schritt hin zu mehr Klimafreundlichkeit.
- Optimierung für jedes Gebäude: Da das System sowohl lokal (Edge) als auch zentral (Cloud) lernt, kann es sich auf die Besonderheiten jedes Gebäudes einstellen und so maßgeschneiderte Lösungen bieten.
- Mehr Komfort für die Bewohnerinnen und Bewohner: Das System sorgt dafür, dass immer die ideale Temperatur im Raum herrscht, ohne dass die Bewohner ständig die Heizung anpassen müssen.
- Skalierbarkeit und Flexibilität: SECAI kann flexibel für einzelne Wohnungen, ganze Gebäude oder sogar Wohnviertel genutzt werden, was es besonders interessant für Wohnungsunternehmen und Kommunen macht.
Zusammengefasst bedeutet der Einsatz von SECAI also weniger Energieverbrauch, geringere Kosten, mehr Komfort und einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz – und das alles automatisiert und optimal abgestimmt auf die Bedürfnisse der jeweiligen Nutzer.
Federated Learning (deutsch: Föderales Lernen) stellt eine Technik im Bereich des maschinellen Lernens dar, bei der ein KI-Modell auf mehreren Geräten trainiert wird. Warum setzen Sie im Projekt SECAI auf Federated Learning?
Im Projekt SECAI setzen wir auf Federated Learning, weil diese Technik mehrere entscheidende Vorteile bietet, die den Anforderungen einer intelligenten und dezentralen Heizungssteuerung ideal entsprechen: Federated Learning ermöglicht es, KI-Modelle direkt auf den Geräten zu trainieren, die vor Ort installiert sind, ohne dass sensible Daten zentral gespeichert werden müssen. Die Daten der einzelnen Gebäude – wie Nutzungsgewohnheiten oder Temperaturverläufe – bleiben lokal und werden nicht an eine zentrale Cloud gesendet. So kann SECAI persönliche Informationen schützen und die Privatsphäre der Bewohner gewährleisten.
Durch das dezentrale Training lernt das KI-Modell direkt aus den Umgebungen, in denen es später angewendet wird. Jedes Gebäude und jede Wohnung ist einzigartig – Faktoren wie Gebäudeisolierung, Nutzungsmuster und Außentemperatur spielen eine Rolle. Föderales Lernen ermöglicht es, die Eigenheiten einzelner Gebäude gezielt in die Trainingsdaten einfließen zu lassen, was die Effizienz und Präzision des Systems verbessert. SECAI kann flexibel in vielen verschiedenen Gebäuden und Wohnungen eingesetzt werden, ohne auf eine große zentrale Dateninfrastruktur angewiesen zu sein. Das macht das System besonders anpassungsfähig und erleichtert die Skalierung auf größere Wohngebiete oder neue Anwendungsbereiche.
Da nur die Modell-Updates und nicht die Rohdaten selbst geteilt werden, benötigt Federated Learning weniger Bandbreite. Dies ist vor allem bei einem großen Netzwerk von Geräten nützlich und reduziert die Notwendigkeit, ständig große Datenmengen über das Internet zu übertragen.
Föderales Lernen ermöglicht eine kontinuierliche Verbesserung des KI-Modells, das auf den lokalen Daten einzelner Geräte trainiert wird. So kann das System schneller auf neue Daten und sich ändernde Heizgewohnheiten reagieren und fortlaufend optimiert werden, ohne dass zentrale Trainingsphasen nötig sind.
Durch intensive Gespräche mit Unternehmen, Verbänden und Ministerien haben Sie einen guten Überblick über aktuelle Forschungsprojekte, die im Wohngebäudebereich die Reduzierung von CO2-Emissionen zum Ziel haben. Was zeichnet SECAI im Vergleich zu anderen Forschungsprojekten Ihrer Meinung nach aus?
SECAI hebt sich von anderen Forschungsprojekten zur CO₂-Reduzierung im Wohngebäudebereich durch mehrere zentrale Merkmale ab. Wie oben beschrieben, nutzen wir Federated Learning für Datenschutz und dezentrales Lernen. Die Edge-Cloud-Architektur sorgt für hohe Flexibilität und Echtzeitreaktionen. Damit gewährleisten wir eine besonders reaktionsschnelle und anpassungsfähige Heizungssteuerung.
Ein weiterer Unterschied ist, dass SECAI über die bloße Optimierung einzelner Heizgeräte hinausgeht. Stattdessen betrachtet das Projekt das gesamte Heizungsökosystem eines Gebäudes und zeigt auf, wie sich verschiedene Parameteränderungen auf die Gesamtleistung auswirken. Dies hilft Gebäudeverwaltern und Mietenden, die Effizienzpotenziale und möglichen Einsparungen umfassend zu verstehen und aktiv zu nutzen.
Durch SECAI kombinieren wir Klimaschutz und wirtschaftliche Entlastung von Mietenden und Vermietenden. In einem Markt, in dem Nachhaltigkeit häufig mit hohen Kosten verbunden wird, zeigt SECAI durch seine fortschrittliche Technologie, dass Klimaschutz und wirtschaftliche Vorteile Hand in Hand gehen können. Das macht das Projekt nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch besonders wertvoll.
Durch enge Zusammenarbeit mit Unternehmen, Verbänden und Wohnungswirtschaftsakteuren stellen wir sicher, dass die entwickelten Lösungen praxisnah und bedarfsgerecht sind. Die Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Praxis erleichtert eine spätere Implementierung der Technologie und fördert deren Akzeptanz bei den Beteiligten. Darüber hinaus fördern wir die aktive Beteiligung und des Bewusstseins bei Nutzenden der SECAI-Technologie. Durch unsere App verdeutlichen wir die Vorteile ressourcensparenden Heizverhaltens. Das System visualisiert in Echtzeit die Auswirkungen verschiedener Heizgewohnheiten und Parameteranpassungen, wodurch die Nutzer ein tieferes Verständnis für ihren Einfluss auf Energieverbrauch und Umwelt entwickeln können.
Im Projekt wurden bereits die ersten Testwohnungen an SECAI angebunden. Welche Meilensteine stehen nun für die nächste Projektphase an und wie stehen die Chancen, dass SECAI auch nach der geförderten Phase weitergeführt wird?
Mit der Anbindung der ersten Testwohnungen hat SECAI einen wichtigen Meilenstein erreicht. Für die nächste Projektphase ist nun die Ausweitung der Testumgebung geplant. Die nächsten Monate werden genutzt, um weitere Wohnungen an das SECAI-System anzubinden. Dabei soll die Bandbreite an Gebäudetypen und -strukturen vergrößert werden, um die Lösung unter verschiedenen realen Bedingungen zu testen. Ziel ist es, die Anwendbarkeit und Flexibilität des Systems zu prüfen und sicherzustellen, dass SECAI unabhängig von baulichen und infrastrukturellen Unterschieden effizient funktioniert.
Wir werden außerdem das KI-Modell den Federated Learning-Prozess optimieren. Eine zentrale Aufgabe ist die Weiterentwicklung des Dashboards, das Nutzende und Gebäudeverwaltungen dabei unterstützt, Heizdaten und Effizienzvorteile intuitiv zu verstehen. Hier sollen zusätzliche Visualisierungen und Auswertungen integriert werden, die die Auswirkungen verschiedener Heizoptionen und die erzielten Einsparungen transparent darstellen.
Erste Nutzer und Gebäudemanager werden systematisch befragt, um das System weiter zu verbessern. Diese Rückmeldungen werden genutzt, um die Bedienbarkeit zu steigern und die Funktionalität an die Praxisanforderungen anzupassen.
Schlussendlich wollen wir den Markteintritt vorbereiten. Denn die Chancen, dass SECAI über die geförderte Projektphase hinaus weitergeführt wird, stehen gut. Der Wohngebäudesektor ist auf der Suche nach effizienten und datenschutzkonformen Heizlösungen, die zur Erreichung von Klimazielen beitragen und gleichzeitig Kostenvorteile bieten. SECAI adressiert diese Anforderungen direkt und könnte somit auf großes Interesse bei Wohnungsunternehmen und Hausverwaltungen stoßen. Angesichts der steigenden Anforderungen zur CO₂-Reduzierung und der EU-Vorgaben zur Energieeffizienz gewinnt SECAI zunehmend an Relevanz. Da das Projekt direkt auf diese Ziele ausgerichtet ist, könnte es in der Wohnungswirtschaft eine Vorreiterrolle einnehmen und sogar weitere Förderungen erhalten.
Foto: Dietmar Gust